Sie steht
auf der Veranda und betrachtet die Landschaft, die sich unter ihren Füßen
erstreckt. Hier und da ein einsames Haus aber ansonsten die wilde Natur mit
Wäldern, kleinen Bächen, Tieren und Feldern. Sie kennt diesen Ausblick wie ihre
Manteltasche. Sie weiß genau, wo die Häuser aufhören und die Hügel beginnen.
Sie hat ihn schon so oft gesehen aber nur selten bewusst wahrgenommen. Jetzt
ist einer von diesen seltenen Momenten.
Ihre
Gedanken ziehen einer nach dem anderen vorbei, wie die Wolken am Himmel.
Sie
steht auf der Veranda im Haus ihrer Eltern, dort wo sie aufgewachsen und groß
geworden ist. Bis ihr das kleine Haus und das gefühlt noch kleinere Dorf zu
klein wurden. Bis sie raus in die weite Welt wollte und auf ihrer ersten Reise
Blut geleckt hatte: nie mehr zurückkehren, schwor
sie sich. Und bis heute hat sie diesen Schwur nicht gebrochen.
Sie
ist viel gereist, hat neue Menschen, Bräuche und Kulturen kennengelernt. Sich
auf der Reise sagend, dass das Reisen selbst ihr Zuhause sei. Sich vormachend,
dass sie kein festes Zuhause brauche.
Auf
der Veranda erinnert sie sich wieder: an das Gefühl, einen festen Ort sein
Zuhause nennen zu können. Einen Rückzugsort zu haben, falls es einem schlecht
geht. Zu wissen, dass man irgendwo hingehört. Sie erinnert sich daran, wie
schön dieses Gefühl sein kann. Dass es beruhigend sein kann. Aber auch daran,
wie sehr es sie in manchen Momenten eingeengt hat. Wie sehr sie sich nach
Freiheit, Unabhängigkeit gesehnt hat. Wie die dunklen Wolken der Geborgenheit
ihr die Sicht auf ein unbeschwertes, freies Leben nahmen.
Sie
liebt den Ausblick auf die Natur und das erinnerungslastige Gefühl von Zuhause.
Im Herzen werde ich es immer als das Zuhause meiner
Kindheit behalten. Und jetzt ist die Zeit für ein neues Zuhause gekommen, egal
wie es aussieht: auf Reisen, an einem festen Ort oder mit einem anderen
Menschen. Es war einmal mein Zuhause. Aber eben nur das Zuhause, das sich meine
Eltern ausgesucht haben. Das nächste Zuhause wird mein eigenes, persönliches
Zuhause. Ein Zuhause, das ich selbst kreiere.
Sie
betrachtet ein letztes Mal die ihr vertraute Landschaft, dreht sich um und
schließt diesen Augenblick, dieses Gefühl von einem vergangenen Zuhause, ganz
fest in einer verborgenen Ecke ihres Herzens ein.